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Kalender 2016

12.10.2015

Seit neun Jahren gibt der Burg- und Heimatverein Untermaßfeld e.V. einen Jahreskalender heraus. Wenn es ein Jubiläum zu feiern gibt, wie 300 Jahre Kirche oder 1175 Jahre Ersterwähnung des Ortes, ist das Thema klar. Oder einfach mit ortstypischen Motiven, die die Veränderungen des Dorfes zeigen. Im Kalender für das Jahr 2016, der zum Museumsfest im September 2015 erstmals verkauft wird, schreibt Wolfgang Swietek, der seit Jahren für den Text und die Fotos verantwortlich zeichnet:

 

 

 

Spurensuche

„Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“ Der Spruch des Komponisten Gustav Mahler wird auch – so oder mit ähnlich Worten – anderen Geistesgrößen zugeschrieben. Von Benjamin Franklin, Thomas Morus, Jean Jaurés oder Ricarda Huch gibt es Aussprüche ähnlichen Inhalts. Johannes XXIII. soll es so formuliert haben: „Tradition heißt: Das Feuer hüten und nicht die Asche aufbewahren.“

Gleiches steht zwar nicht in der Satzung vom Burg- und Heimatverein Untermaßfeld, könnte aber durchaus als dessen Motto für all seine Bemühungen gelten, auf Spurensuche nach der eigenen Geschichte zu gehen. Natürlich ist ein Wohnort kein Museum, und keiner will daraus eines machen. Denn nicht alles ist aufbewahrenswert, nur weil es alt ist. Doch vergessen sollte es nicht werden. Und so sind die Mitglieder derzeit dabei, an Gebäude mit einer für den Ort wichtigen Geschichte Gedenktafeln anzubringen, um an deren einstige Bedeutung zu erinnern.

Da ist das Haus in der Karl-Marx-Straße Nummer 18, Ecke Am Gemeinderasen. Es ist inzwischen ein einfaches Wohnhaus. Wer weiß heute noch, dass es einst die Wohnung und den Arbeitsraum des Zöllners beherbergte, der von allen Fuhrwerken, die den Ort passieren wollten, einen Obulus kassierte. Natürlich gilt auch in Untermaßfeld schon lange „Freie Fahrt für freie Bürger“, und keiner will das Rad mehr zurückdrehen. Aber daran erinnern, dass der Ort einst von diesen Einnahmen aus eigener Kraft so manches bauen konnte, wofür heute Mittel vom Land oder Landkreis beantragt werden müssen, das sollte man schon.

Eine Schule wurde in den Jahren 1855 bis 1857 von diesen Geldern gebaut, in der über einhundert Jahre die Kinder des Ortes unterrichtet wurden. Erst 1961 wurde es zu einem Wohnhaus umgebaut. Das Gebäude steht auf dem sogenannten Centplatz, auf dem von der Gemeinde und der Herrschaft im Schloss Gericht gehalten wurde, Urteile gefällt und teilweise auch vollstreckt wurden. So ließ im Jahr 1525 auf diesem Platz Graf Wilhelm von Henneberg mehrere Dutzend aufrührerische Bauern hinrichten.

Auf diesem Platz steht eine prächtige Eiche. Im Frühjahr 1815 wurde sie von der Gemeinde gepflanzt zur Erinnerung an die Befreiungskriege gegen die Napoleonische Fremdherrschaft von 1807 bis 1813. In diesem Zeitraum musste die Gemeinde den durchziehenden und einquartierten Truppen große materielle Opfer bringen, an denen sie noch über Jahrzehnte hinweg schwer zu tragen hatte. Zwölf Männer aus dem Ort verloren in diesem Krieg ihr Leben.

Gleich nebenan zur Kirche hin ein weiterer Platz, der im Jahr 2009 neu gestaltet wurde und nun als zentraler Dorfplatz für Feierlichkeiten genutzt wird. Die Historie dieses Platzes und seiner Gebäude ist lang. 1639, als schwedische Truppen das Dorf in Schutt und Asche legten, fiel ihnen auch das hier stehende Hirtenhaus und die benachbarte Schule zum Opfer. Beide Gebäude wurden in den Jahren von 1653 bis 1656 wieder errichtet. Von 1706 bis 1709 wurde hier eine neue Kirche gebaut an der Stelle eines Vorgängerbaues. Bei der Neugestaltung dieses Dorfplatzes wurden mehrere Skelette freigelegt, direkt vor dem Eingang zur Kirche, kaum einen Meter unter der Erde. Dass es hier Bestattungen gegeben hatte, war niemandem mehr bekannt. Nun will der Burg- und Heimatverein erreichen, dass das Alter der Funde genauer bestimmt wird. Vielleicht ist der Ort ja sogar älter als bisher angenommen, denn wo es Bestattungen gegeben hat, müssen auch Menschen gewohnt haben.

Da ist die alte Schmiede, in der schon lange keine Pferde mehr beschlagen werden, wie dies über 250 Jahre der Fall war. 1701 ist die Schmiede erstmals erwähnt, Hanß Michael Anthing war „Huffschmidt allhier“. 1955 stirbt mit dem letzten hiesigen Schmiedemeister Wilhelm Rommel dieses Handwerk im Dorf aus.

Das Stillhäuschen – für die Untermaßfelder seit Jahrzehnten zu Pfingsten ein Muss für eine fröhliche Feier – hat ebenfalls eine lange Geschichte. 1928 wurde es anstelle des alten Stillhäuschens am neuen heutigen Standort erbaut als Unterstellraum für Wildfutter und Schutzhütte für die Waldarbeiter. 1972 brannte dieses aus Holz errichtete, inzwischen als Ausflugsziel gern genutzte Häuschen restlos ab, wurde jedoch schon ein Jahr später durch Mithilfe vieler Einwohner wieder errichtet und am 2. Juni 1973 eingeweiht.

Längst ist die Liste der Objekte nicht abgearbeitet, deren Geschichte nachgespürt werden soll. Eine kuriose Beobachtung dabei: Oft ist es leichter, einen Beleg zu finden, ob ein Ereignis 1612 oder 1618 stattgefunden hat, als Dokumente aus der jüngeren Geschichte. Ob die Werrabrücke Ende der 70er oder Anfang der 80er Jahre letztmalig saniert wurde, wusste zum Beispiel kaum ein Untermaßfelder genau zu sagen. Eher durch Zufall fand sich jemand, der dieses Datum verbindlich auf 1980 bis 1982 bestätigt. Ein Schriftstück als Beweis fehlt bis heute.

 

Bild zur Meldung: Kalender 2016